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Das Kranzgeld: Bloß ein alter Verlobungs-Paragraf mit absurdem Namen?

So ein schönes Wort, leider so vergessen: das Kranzgeld! Woher kommt der großartige Name für eine so nüchterne Sache wie das Recht auf Entschädigung, wenn die Verlobung aufgehoben wird? Und: Gibt es das etwa noch? Ja, das gibt es noch. Aber mittlerweile heißt es leider weniger hübsch. Und ist weniger einträglich.

„Kranzgeld“ ist der Ausdruck dafür, wenn finanzielle Schäden bei der Auflösung einer Verlobung entstehen und eine Partei diese einklagt. Und der Kranzgeld-Paragraf stand tatsächlich noch bis 1998 in den Gesetzbüchern – auch wenn er nicht mehr angewendet wurde. Angeblich ist er nicht mehr zeitgemäß. Denn beim Kranzgeld geht es vor allem um eine finanzielle Entschädigung für den Verlust der Jungfräulichkeit.

Der Kranzgeld-Paragraf: ein Relikt aus ganz alten Zeiten

Früher haben die Frauen bei der Hochzeit Kränze getragen, um der Liebesgöttin Venus zu huldigen. Der heidnische Brauch wurde dann ins Christentum importiert und zum Symbol für die Keuschheit: So durften nur unberührte Fräuleins einen geschlossenen oder einen Myrtenkranz tragen, und die Frau, die vor der Hochzeit bereits Spaß hatte, musste mit Stroh Vorlieb nehmen.

Da war es bloß gerecht, wenn ein Mann, der bereits vor der Hochzeit mit seiner Verlobten schlief, sie dann verließ und ihr bei ihrer späteren Hochzeit mit einem anderen Mann dementsprechend den Strohkranz aufnötigte, seiner Ex-Braut Entschädigung zahlen musste: Kranzgeld eben. Dieses Gesetz war jedoch seit seinem Beginn eine absurde Ausnahme. Denn schon früher konnte man eigentlich nur auf materielle Schäden klagen.

Allerdings war Jungfräulichkeit damals noch ein materielles Gut: Denn „bescholten“ hatte eine Frau es wesentlich schwerer, einen Mann zu finden. Ihr war also tatsächlich ein Schaden entstanden, nämlich der der gesellschaftlichen Ächtung. Denn wichtige Institutionen wie Meyers Lexikon verboten 1888 offiziell Blumen auf den Köpfen von unzüchtigen Bräuten: „Witwen und Bräute, die bereits Mutter geworden oder notorisch unsittlich gelebt haben, dürfen diesen Schmuck nicht tragen.“

Ist das Kranzgeld abgeschafft?

Und heute? Dürfen Frauen die Männer ob dem Verlust ihrer Jungfräulichkeit verklagen? Das Gericht urteilte 1993 mit „Nein“. Denn angeblich hätten sich die Moralvorstellungen seit dem Mittelalter geändert, die Frauen müssten keinen Hochzeitskranz mehr tragen und angeblich auch nicht mehr unbescholten in die Ehe gehen. Und Stroh, dieses Gewächs der Untreue, sei bei der Hochzeit mittlerweile eh aus der Mode.

Allerdings: Bei der Auflösung einer Verlobung kann immer noch geklagt werden, und zwar auf Entschädigung, wenn mit der Verlobung erheblicher finanzieller Aufwand mit sich ging. Das klassische Beispiel ist das Hochzeitskleid: Das muss der fliehende Verlobte zahlen. Auch teure Geschenke können zurückgefordert werden. Das läuft allerdings unter dem schnöden Namen „Vorschrift über die ungerechtfertigte Bereicherung“. Und die Frauen müssen bei der Verhandlung keine Kränze tragen.

Was lernen wir daraus? Dass wir unseren Verlobten bloß nach der Verlobung teure Geschenke machen sollten. Dass Brautkränze, wenn denn verwendet, gefälligst offen sein sollten. Und dass Stroh bei einer Hochzeit höchstens sehr, sehr subtil eingesetzt werden sollte: Zum Beispiel könnte der Liebhaber der Frau mit Strohhut zur Zeremonie erscheinen. Das wäre doch eine sinnvolle Fortführung der Tradition.

Helena